Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Das Eigene durch das Fremde verstehen: Multikollektivität sefardischer und mizrachischer Juden in der Vormoderne und Moderne

Prof. Dr. Ottfried Fraisse

Die jüdische Geschichtsschreibung wurde in den letzten 200 Jahren vorwiegend von Autor*innen unternommen, die sich dem Westen zugehörig gefühlten. Durch den selbstverständlichen Gebrauch eurozentrischer Konzepte wie „Kultur“, „Religion“, „Wissenschaft“, „Moderne“, „Säkularisierung“ und nicht zuletzt das der „Geschichte“ wurden das Leben und Wirken der sefardischen und mizrachischen Juden im muslimischen Raum weitgehend unsichtbar. Oder sie erschienen durch die Brille des westlichen Orientalisms als vormodern und stark modernisierungsbedürftig.

Insbesondere ist die Freilegung unterschiedlicher Auffassungen von einer jüdischen Aufklärung (Haskala) im Nahen und Mittleren Osten interessant, wie es Juden und Jüdinnen in Nordafrika nicht weniger als in Bagdad und Saloniki zwischen 1850 und 1948 entwickelt haben. Diese Maskilim haben dabei in souveräner Art und Weise die europäische Aufklärung und die westliche Haskala rezipiert und kritisiert, wie auch in der Interaktion mit der zeitgenössischen muslimischen Aufklärung (Nahda) ein eigenes Aufklärungsprofil entwickelt. Ziel wäre es, den in der Geschichtsschreibung bislang erforschten Kanon jüdischer Literaturen so ergänzen, dass auch die Existenz einer eigenen sefardischen Überlieferung aus dem spanischen Mittelalter über ihre Träger in Nordafrika, der Levante und dem Mittleren Osten bis in die Neuzeit sichtbar wird.

Ein in Planung befindliches Projekt ist die Analyse des Gebrauchs, den nahöstliche Maskilim wie Abraham Danon (Saloniki), Itzhak Dayyan (Aleppo) und Israel Moshe Hazan (Kairo) von zentralen Texten der West-Haskala und der Wissenschaft des Judentums gemacht haben.

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